Vom 8. bis 10. Oktober 2009 fand in Köln der erste Kongress zum Thema Metal und Gender in Deutschland statt – das durften wir uns auf keinen Fall entgehen lassen, denn mit Frauen hat Empress ja auch irgendwie was zu tun. Und auch wenn das ganze schon eine Weile her ist, gibt es von unserer Seite noch einiges zu diesem Kongress zu sagen.

Metal und Gender - Podiumsdiskussion

Metal und Gender - Podiumsdiskussion

Zweck der Veranstaltung war es, „die Konstruktion von Geschlechterrollen, Geschlechter­differenzen und –stereotypen innerhalb des Genres (…) in möglichst umfassender Breite“ zu diskutieren. Dazu gab es an den drei Tagen Vorträge über Themen wie „Metal and the male monster“  oder „The Performance within in the Performance. Applying Judith Butlers’ Theory of Gender Performativity on the Black Metal Scene.“ Höhepunkt war eine großangekündigte Podiumsdiskussion zum Thema „Frauen und Metal“ mit vier weiblichen Szene-Größe: Doro Pesch, Angela Gossow von Arch Enemy, Sabina Classen von Holy Moses und Cripper-Frontfrau Britta Görtz.

 

Florian Heesch, der den Kongress organisiert hatte, die Diskussion leitete und zur Zeit über die Rezeption nordischer Mythen im Heavy Metal forscht, ist wahrscheinlich kein Metaller. Zumindest ließ sein Äußeres – kurzes Haar und Künstlerschal – eher nicht darauf schließen. Aber auch an der Art, wie er und seine Assistentin die Diskussion anpackten, konnte man deutlich sehen, dass hier jemand aus einer relativ großen Distanz auf den Metal und die Metalszene guckt. Diese Distanz zur Materie zog sich denn auch wie ein roter Faden durch den ganzen Abend.

„Nach stereotypen Vorstellungen ist Heavy Metal aufgrund des aggressiven, kraftbetonten Ausdrucks, offen dargestellter Hässlichkeit und der Übertretung kultureller Normen eher Männer- als Frauensache. Aus solcher Perspektive wirkt es natürlich, dass Musikerinnen im Heavy Metal deutlich unterrepräsentiert sind, und es erscheint unangemessen und abnormal, wenn sich Mädchen und Frauen für Metal interessieren.“ So stand es im Begleitheftchen zum Kongress, und diese stereotypen Vorstellungen bestimmten die Themen und Fragen, den sich die Metal-Damen stellen mussten. Von außen auf den Metal sehend war Heesch wohl zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei einer Gruppierung, die zum überwiegenden Teil aus Männer besteht und sich thematisch mit Gewalt, Krieg u.ä. beschäftigt, um einen ganz schön sexistischen Verein handeln muss, in dem Frauen nicht nur um Akzeptanz und Anerkennung hart kämpfen müssen, sondern auch von Busengrapschern und Frauenschlägern umzingelt sind. Die Geschichten, die Doro und Angela Gossow zum Einstieg erzählten, klangen allerdings ganz anders; ihrer Meinung nach sei Metal eher eine Gelegenheit für Kerle, auch mal die Frau in sich rauslassen zu dürfen – mit langen Haaren, Make up, interessanten Klamotten und z.T. hohem Gesang.[1] Auch sei es am Anfang ihrer Karrieren weder besonderes schwierig noch besonders aufsehenerregend gewesen, als Frau im Metal unterwegs zu sein; keine von ihnen hatte am Anfang große Probleme mit Sexismus. Doro betonte auch, sich nie darüber Gedanken gemacht zu haben, dass sie als Frau im Metal unterwegs sei: „Wenn ich ein Mann wär, hätte ich vielleicht genau die gleiche Musik gemacht.“ Unter den vier Damen herrscht überhaupt allgemeines Wundern über die ganze Diskussion, und nur Angela Gossow konnte erzählen, dass sie des öfteren mit Männern verglichen würde, was allerdings nur daran läge, dass Growlen als Gesangsstil in der Wahrnehmung noch an Männer gebunden sei. Diese Verbindung löse sich aber langsam auf und Growlen werde ihrer Meinung nach bald ein Gesangsstil unter vielen sein.

Es war offensichtlich, dass Heesch mit ganz anderen Geschichten gerechnet hatte; die wachsende Enttäuschung über die Antworten stand ihm ziemlich deutlich ins Gesicht geschrieben.

Auch mit dem Konzept einer „spezifisch weiblichen Aggressivität“[2] konnte keine der Metaldamen so richtig was anfangen. Stattdessen bestanden alle vier darauf, einfach „als Mensch“ aggressiv zu sein – und Frau Gossow stellte klar, dass es ihr egal sei, ob sie einem Mann oder einer Frau in die Fresse treten würde, ihre Aggression sei vollkommen geschlechtsunabhängig. Doro ließ sich gar nicht erst auf die Aggressionsschiene schieben und erzählte nur immer wieder mit leuchtenden Augen und enthusiastischem Rumgefuchtel von der Gemeinschaft mit den Fans und dem Wir-Gefühl, die ihr an der Musik wichtig seien. Classen wehrte Heeschs Idee einer „Metalschwesternschaft“ ziemlich heftig ab und war sich mit den anderen einig: „Metal ist für alle da und macht uns gemeinsam stark“

„Hammer Smashed Face ist ein Song, den kann ich gut leben.“

 

Nachdem beim Thema „weibliche Aggression“ niemand so richtig angebissen hatte, war das nächste große Thema „Diskriminierung“. Als Vorbereitung hatte man sich anscheinend einige Lyrics angelesen und zitierte voll Grausen aus Hammer Smashed Face. Gossow reagierte bereits leicht angenervt und erklärte für alle noch mal zum mitschreiben, dass es sich bei Cannibal Corpse eben um Gore handele, wo die Gewaltdarstellungen zum künstlerischen Ausdruck gehöre und genauso wenig zu echter Gewalt aufrufe oder führe wie es z.B. bei Horrofilmen der Fall sei;  die stumpfe Brutalität des Gore sei „erkennbar keine Realität“ und von den netten Cannibal Corpse- Jungs, die alle Angst vor ihren Ehefrauen hätten, ginge auch keine Gefahr für Frauen aus.

Um Heesch einen Gefallen zu tun kramten alle schließlich doch noch irgendeine Geschichte über Diskriminierung raus, aber betonten immer wieder, dass es sich um absolute Ausnahmen handelte. Gossow („Sexistische Anekdötchen bewahre ich mir wie Goldstückchen“) erzählte, wie sie einst auf einem Penis unterschreiben sollte und der arme, besoffene Typ dafür vom Rest der Band verdroschen wurde. Crippers Britta fand schon die Fragestellung komisch, ob man sich von derartigen Autogrammwünschen diskriminiert fühlen sollte – auf Brüsten unterschreiben zu müssen gelte schließlich auch nicht als Erniedrigung männlicher Rockstars.

Das für die Veranstalter wohl überraschende Ergebnis des Abends war also, dass den eingeladenen Metalladys im Lauf ihrer Karriere weder von den Fans, noch den Musikern, noch, große Überraschung, von der Musikindustrie mit besonderem Sexismus, Unterdrückung oder auch nur mit Verwunderung begegnet worden ist. Man konnte den Mädels ansehen, dass sie vom Sinn der Veranstaltung nicht so richtig überzeugt waren und sich nicht nur einmal fragten, was das Ganze eigentlich sollte.

Schade. Man merkte der Veranstaltung die Begeisterung Neugier und den Eifer an, mit dem Heesch und sein Team an das Thema „Metal“ und besonders „Frauen im Metal“ rangegangen sind.

Aber: Frauen im Metal müssen sich nicht erst „freischwimmen“ und auch kein ungewöhnlich hohes Maß an Diskriminierung ertragen, weder als Fans noch als Musikerinnen. Dass die universitäre Wissenschaft dieses Thema für sich entdeckt hat, ist in erster Linie für die Wissenschaft interessant, da sie sich für ganz prima aufgeschlossen und der Gegenwart zugewandt halten kann.

Problematisch an der Herangehensweise auf dem Kölner Kongress ist nur leider Folgendes: Musikwissenschaftler und  Soziologen entdecken den Metal für sich, stellen ein Übergewicht an Männern und „männlich“ konnotierten Themen darin fest und kommen zu dem Schluss, dass dort, wo weniger Frauen sind, diese durch Diskriminierung etc. ferngehalten und nicht (als Frauen) akzeptiert werden.[3] Die Wissenschaft kann sich auf die Schulter klopfen, da sie das aktuell erkannte Problemfeld „Frauen im Metal“ diskutiert und dabei das Gefühl hat, den Finger in die Wunde zu legen. Dabei hinkt diese Sichtweise auf den Metal den von den meisten weiblichen Metalfans gemachten Erfahrungen hinterher und ist eigentlich viel sexistischer als ihr Objekt selber. Mit der Vermutung, dass es im Metal extrem sexistisch zugehen muss, weil im Vordergrund der Szene deutlich weniger Frauen als Männer agieren, heißt, die eigenen Meinungen über das normale Verhältnis zwischen den Geschlechtern an den Metal heranzutragen, nämlich die, dass Frauen per se (Unterdrückungs-)Opfer seien müssen. Damit outet sich die Wissenschaft als viel weniger emanzipiert als die Metalszene, an die sie ihre eigenen Werturteile heranträgt. Puh!

Bezeichnend war auch, dass Angela Gossow berichtete, erst in letzter Zeit überhaupt mit Fragen nach ihrem Geschlecht und möglichen Problemen damit gefragt zu werden, und dass diese Fragen ausschließlich aus den Medien kämen. Sollte man Veranstaltungen wie „Metal und Gender“ also lieber gleich lassen? Nein! Aber falls es um echtes Interesse am Metal geht, sollte man generell sehr viel unvoreingenommener an die Sache herangehen und nicht krampfhaft versuchen, seine mitgebrachten Erwartungen und Vorurteile über den Metal bestätigen zu lassen. „Musikwissenschaftliche Genderforschung“  wie sie sich auf dem Kölner Kongress präsentiert hat, sieht den Metal eben wirklich nur von außen und aus einer sehr verzerrten Perspektive. Sinnlos war diese Podiumsdiskussion allerdings nicht, denn dass Metal an sich von Seiten der Wissenschaft als Kulturgut und als diskussionswürdiges Thema anerkannt wird, ist super. Aber es wäre toll, und besser für die Richtung dieser Diskussion, wenn dieser Abend die beteiligten Wissenschaftler dazu gebracht hat, sich dem Thema tatsächlich mal unvoreingenommen, ohne verzerrende Problematik-Brille zu nähern – vielleicht sieht man sich ja bei der Feldforschung auf dem nächsten Cannibal Corpse – Gig?


[1] Doro musste ihren Jungs immer das Make up machen musste und wäre fast mal aus der Band geflogen, weil sie immer in Arbeitsklamotten und ungestylt zum Proben kam!

[2] Auch das Konzert am Abend danach mit den Bands der vier Ladys war mit  „female aggression“ betitelt…

[3] Laut Deena Weinstein ist es kaum möglich, als Frau im Metal unterwegs und trotzdem attraktiv zu sein…

Share →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.